Der Text des Manifestes zur Abschaffung der internationalen Apartheid ruft zu einer grundlegenden Veränderung der bestehenden Situation auf. Diese Radikalität ist jedoch notwendig. Es ist zum Beispiel widersprüchlich, den Staatsangestellten vorzuwerfen, ImmigrantInnen zu kontrollieren und auszuweisen und gleichzeitig die diesen Maßnahmen zugrundeliegenden Gesetze zu billigen. Es ist unstimmig, wie in Frankreich die Ausstellung von Ausweispapieren für illegale AusländerInnen zu fordern und gleichzeitig die Schließung der Grenzen für diejenigen zu akzeptieren, die nicht die Chance oder die Gewandheit besaßen, durch die Maschen zu schlüpfen.
Vor allem können wir nicht die Gleichheit aller Menschen verfechten und gleichzeitig akzeptieren, daß das willkürliche Kriterium der Geburt weiterhin in erheblichem Maße das Geschick der Individuen bestimmt. Wir können der weißen Bevölkerung Südafrikas nicht vorwerfen, sich in der Vergangenheit an die Apartheid festgeklammert zu haben, ohne unsere eigene Unterstützung an eine andere Form von Apartheid, eine Apartheid, die uns gelegen kommt, zu hinterfragen.
Das Manifest basiert auf einer klaren und rationalen ethischen Argumentation, welche theoretisch von fast all unseren Gesellschaften akzeptiert wird: daß es willkürlich und ungerecht ist, ein Individuum einem anderen vorzuziehen, sofern zwischen ihnen kein zutreffender Unterschied besteht. Die Deutlichkeit der ethischen Grundlagen ist eine notwendige Bedingung für die politische Aktion.
Die Ethik ist in keiner Weise eine ausreichende Bedingung für die politische Aktion, wie es der über Jahrzehnte andauernde Kampf gegen die Apartheid in Südafrika bewiesen hat. Aber das klare Bewußtsein über die Richtigkeit dieser Sache war ohne Frage ein bestimmender Faktor für den letztlichen Sieg. Denn ohne ethische Grundlage ist der politische Kampf ohne Leitstern. Das in uns wohnende Gerechtigkeitsverlangen wird veranlaßt sein, sofern es keine klare Äußerung wagt, sich in eine rein persönliche Verteidigungshaltung zurückzuziehen - „Fragt nur nicht mich, Ausländer zu denunzieren!” - oder vollkommen absterben. Es ist kein Zufall, daß sich heutzutage eine Mehrheit der Französinnen und Franzosen ein wenig oder sehr rassistisch erklärt.
Heute beginnen indes, einige Stimmen laut zu werden, die eine weltweite Freizügigkeit der Personen einzufordern. Dieser Anspruch scheint nicht mehr ein rein idealistischer zu sein. Der Kampf wird lang sein; dieses Manifest hat zur Aufgabe, zur Stärkung der Grundlagen beizutragen.
Dieses Manifest wird weder den Abgeordneten noch einem Minister vorgelegt werden; diese werden über gerechte Gesetze abstimmen und sie anwenden, wenn die Bevölkerung gerechte Gesetze will.
Der Ansprechpartner dieses Textes ist die Gesamtheit der Bevölkerung aller Länder, seien sie wirtschaftlich mehr oder weniger entwickelt. Im konkreten wird vorausgesetzt, daß eine höchstmögliche Anzahl von Unterschriften gesammelt und in der Presse kostenlos oder nach Bezahlung veröffentlicht wird. Außerdem soll das Manifest in andere Sprachen übersetzt und außerhalb Europas verbreitet und veröffentlicht werden.
Diese Arbeit und die Suche nach eventuell notwendigen finanziellen Quellen für den Abdruck in der Presse wird Aufgabe der Komitees zur Unterstützung des Manifestes sein.
Yves Bonnardel und David Olivier sind seit langem im Kampf für die Gleichheit, gegen Rassismus, Sexismus, Spezismus und andere Formen willkürlicher Diskriminierung (Homophobie...) engagiert. Vor allem durch ihre Erfahrungen in der aktiven Tierbefreiung, im Rahmen der Revue Les Cahiers antispécistes („die antispezistischen Hefte”), sind sie sich darüber klar geworden, daß es in der Politik unumgänglich ist, eine klare ethische Überlegung aufzustellen und wurden veranlaßt, diesen Aufruf zu formulieren.
Lyon, den 24. Februar 1997